
In einer Zeit, in der die Reduktion von Zucker als Schlüssel zu gesünderem Leben gilt, greifen immer mehr Menschen zu Alternativen wie Aspartam, Sucralose oder Xylit. Künstliche Süßstoffe versprechen Süße ohne Kalorien, Schutz vor Karies und sogar Hilfe bei der Gewichtsabnahme.
Doch neue Studien und Bewertungen von Gesundheitsorganisationen werfen zunehmend kritische Fragen auf: Sind Zuckerersatzstoffe wirklich gesundheitlich unbedenklich? Oder verbergen sich hinter der süßen Verlockung ernsthafte Risiken für Herz, Darm und Umwelt?
Zuckerersatzstoffe im Überblick
Zuckerersatzstoffe lassen sich in zwei Hauptgruppen einteilen: künstliche Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe. Künstliche Süßstoffe wie Aspartam, Sucralose, Saccharin oder Acesulfam-K sind chemisch hergestellte Verbindungen, die ein Vielfaches der Süßkraft von Haushaltszucker besitzen, jedoch kaum oder keine Kalorien enthalten. Sie kommen in einer Vielzahl von Produkten vor – von „Light“-Getränken über Joghurt bis hin zu Zahnpasta.
Daneben stehen sogenannte Zuckeraustauschstoffe wie Xylit, Sorbit und Erythrit. Diese Zuckeralkohole enthalten zwar Kalorien, aber weniger als herkömmlicher Zucker, und beeinflussen den Blutzuckerspiegel nur geringfügig. Viele Verbraucher betrachten sie daher als gesunde Alternative, gerade bei Diabetes oder einer zuckerarmen Ernährung. Doch dieser Eindruck könnte täuschen.
Neue Studien befeuern die Kritik
Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Eine vielbeachtete Studie der Berliner Charité kam Anfang 2024 zu einem alarmierenden Ergebnis: Der weitverbreitete Zuckeralkohol Xylit steht in Zusammenhang mit einem deutlich erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Die Forscher analysierten Blutproben von rund 1.000 Probanden und stellten fest, dass hohe Konzentrationen von Xylit im Blut die Thrombozytenaktivität – also die Blutgerinnung – stark steigern können. Das wiederum erhöht die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel bilden, die Herz oder Hirn blockieren können.
Auch für Erythrit wurden in einer früheren US-Studie ähnliche Zusammenhänge nachgewiesen. Die Autoren warnten, dass insbesondere bei Personen mit bestehenden Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes künstliche Süßstoffe das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant erhöhen könnten.
Auswirkungen auf die Darmflora
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft die Darmgesundheit. Der Darm ist nicht nur für die Verdauung zuständig, sondern auch ein bedeutendes Immunorgan. Das dort angesiedelte Mikrobiom – eine Gemeinschaft aus Milliarden von Bakterien – spielt eine Schlüsselrolle für unser Wohlbefinden. Doch viele Süßstoffe beeinflussen diese Darmflora negativ.
Eine Studie mit 120 gesunden Erwachsenen zeigte, dass der Konsum von Saccharin und Sucralose bereits nach zwei Wochen zu einer veränderten Zusammensetzung der Darmbakterien und einer gestörten Glukosetoleranz führen kann. In Laborversuchen zeigte sich zudem, dass künstliche Süßstoffe das Wachstum krankmachender Bakterien fördern und die Schleimhautbarriere des Darms schwächen können. Dies könnte das Risiko für entzündliche Darmerkrankungen und andere chronische Beschwerden erhöhen.
Krebsrisiko – eine neue Bewertung durch die WHO
Besondere Aufmerksamkeit erregte im Jahr 2023 die Neubewertung von Aspartam durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), ein Teilorgan der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die IARC stufte Aspartam als „möglicherweise krebserregend beim Menschen“ ein – dieselbe Kategorie, in der sich auch Glyphosat und rotes Fleisch befinden.
Der Verdacht: Aspartam könnte das Risiko für Leber- und Blasenkrebs erhöhen. Zwar sei die Datenlage noch nicht eindeutig, doch das Vorsorgeprinzip gebiete eine kritische Betrachtung. Auch bei Sucralose fanden jüngste Untersuchungen Hinweise auf potenziell genotoxische Effekte. Eine belastbare Risikobewertung steht jedoch noch aus.
Umweltrisiken: Süßstoffe im Wasserkreislauf
Was viele nicht wissen: Einige künstliche Süßstoffe, insbesondere Acesulfam-K und Sucralose, sind biologisch kaum abbaubar. Sie passieren den menschlichen Körper unverändert und gelangen über das Abwasser in Flüsse, Seen – und auch ins Trinkwasser.
Wissenschaftler der TU Dresden wiesen nach, dass Rückstände von Süßstoffen in nahezu allen untersuchten Gewässern nachweisbar waren. Zwar gibt es bislang keine Hinweise auf akute Umwelt- oder Gesundheitsgefahren, doch die langfristigen Folgen dieser chronischen Belastung sind kaum erforscht. Ökologen warnen davor, dass künstliche Süßstoffe in der Umwelt ähnlich persistieren könnten wie Mikroplastik.
WHO-Empfehlung: Süßstoffe zur Gewichtskontrolle ungeeignet
2023 veröffentlichte die WHO eine neue Leitlinie zum Einsatz nicht-zuckerhaltiger Süßstoffe. Die Kernaussage: Künstliche Süßstoffe seien nicht geeignet zur langfristigen Gewichtskontrolle oder Diabetesprävention. Zwar könne der kurzfristige Verzicht auf Zucker durch Süßstoffe helfen, die Kalorienaufnahme zu senken – mittelfristig jedoch zeigten Studien keinen positiven Effekt auf das Körpergewicht. Im Gegenteil: Manche Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Konsum von Süßstoffen sogar den Appetit steigern und langfristig zu einer Gewichtszunahme führen kann.
Die WHO empfiehlt daher, insbesondere bei Kindern auf Süßstoffe zu verzichten und stattdessen auf eine insgesamt ausgewogene Ernährung mit möglichst wenig Zusatzstoffen zu setzen.
Gibt es gesündere Alternativen?
Angesichts der Unsicherheiten stellt sich die Frage nach Alternativen. Stevia, gewonnen aus der gleichnamigen Pflanze, gilt als natürliche Alternative mit relativ stabiler Datenlage. Auch Zuckeraustauschstoffe wie Erythrit oder Xylit könnten in geringen Mengen unbedenklich sein – vorausgesetzt, sie werden nicht regelmäßig in hohen Dosen konsumiert.
Eine langfristig gesündere Strategie könnte darin bestehen, den eigenen Geschmackssinn langsam zu „entwöhnen“. Wer über Wochen hinweg bewusst weniger süßt, empfindet auch weniger Süße als angenehm – und spart Zucker oder Ersatzstoffe ganz natürlich ein. Frisches Obst, Nüsse, Joghurt oder selbstgemachte Müslis können helfen, den Zuckerkonsum zu reduzieren, ohne auf Geschmack zu verzichten.
Fazit: Süß – aber nicht ohne Risiko
Was als gesunde Alternative zum Zucker begann, steht heute unter zunehmender Kritik. Künstliche Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe versprechen Kalorienfreiheit, Zahnschutz und bessere Blutzuckerwerte – doch die Realität ist komplexer. Neue Studien zeigen mögliche Risiken für Herz und Kreislauf, die Darmflora, das Krebsrisiko und sogar die Umwelt. Besonders Menschen mit Vorerkrankungen sollten deshalb genau hinsehen.
Die wachsende Datenlage spricht für einen vorsichtigen Umgang mit künstlicher Süße. Der völlige Verzicht ist nicht zwingend erforderlich, wohl aber ein bewusster und maßvoller Konsum. Wer sich langfristig gesund ernähren möchte, ist gut beraten, auf möglichst naturbelassene Lebensmittel zu setzen – und den süßen Verlockungen mit gesunder Skepsis zu begegnen.