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Schneller zur ePA: Digitale Identifizierung via Smartphone

Die elektronische Patientenakte (ePA) gilt als Schlüsselprojekt der digitalen Gesundheitsversorgung in Deutschland. Sie soll Patientinnen und Patienten eine sichere und effiziente Verwaltung ihrer Gesundheitsdaten ermöglichen – von Arztbriefen über Medikationspläne bis hin zu Laborbefunden.

Während die Akte bereits seit 2021 verfügbar ist, war ihre Nutzung bislang durch hohe Zugangshürden erschwert. Eine aktuelle Entwicklung könnte das ändern: Ab sofort ist die Aktivierung der ePA auch per Video-Ident auf dem Smartphone möglich. Diese Neuerung soll den Zugang deutlich erleichtern und die Verbreitung der ePA fördern.

„Mit dem Video-Ident-Verfahren schaffen wir einen einfachen und zugleich sicheren Zugang zur ePA – ohne zusätzlichen Gang zur Krankenkasse oder aufwendige PIN-Prozesse“, so eine Sprecherin der Gematik, der für die Telematikinfrastruktur zuständigen Gesellschaft.

Überblick zur ePA und ihrem Status

Die elektronische Patientenakte ist ein zentrales Instrument der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Sie ermöglicht die Speicherung und Verwaltung wichtiger Gesundheitsinformationen an einem Ort. Ziel ist es, allen Beteiligten im Gesundheitssektor – von Ärztinnen und Ärzten bis zu Apotheken – einen einheitlichen, sicheren Zugriff auf patientenbezogene Daten zu geben.

Die ePA wurde 2021 in der ersten Version eingeführt. Mit Version 2.0 im Jahr 2022 kamen Verbesserungen bei der Nutzerführung und Interoperabilität hinzu. Seit Anfang 2025 läuft die dritte Generation, auch bekannt als „ePA für alle“. Diese wird in mehreren Stufen ausgerollt: In Modellregionen erfolgte der Start am 15. Januar 2025, im Laufe des Jahres soll die bundesweite Einführung abgeschlossen sein.

Obwohl Millionen von elektronischen Patientenakten inzwischen eingerichtet sind, bleibt die Nutzung hinter den Erwartungen zurück. Schätzungen zufolge haben etwa 3,3 Millionen Versicherte aktiv Zugriff beantragt, während rund 4 Millionen Widersprüche gegen die automatische Anlage der ePA eingelegt wurden. Ab dem 1. Oktober 2025 wird es für Ärztinnen und Ärzte verpflichtend, Daten in die ePA einzupflegen. Das könnte den Druck zur Nutzung erhöhen, aber ohne einfachere Zugangswege bleibt die Akzeptanz fraglich.

Video-Ident-Verfahren: Technische Abläufe & Vorteile

Das neue Video-Ident-Verfahren namens „ePass“, entwickelt von der Nect GmbH, wurde am 1. August 2025 von der Gematik für die Telematikinfrastruktur zugelassen. Es stellt einen Paradigmenwechsel dar, denn bisher war die Aktivierung der ePA mit hohen Hürden verbunden: Nutzer mussten entweder eine PIN bei ihrer Krankenkasse beantragen oder persönlich in einer Filiale erscheinen. Mit dem Video-Ident entfällt dieser Schritt.

So funktioniert das Verfahren: Nutzerinnen und Nutzer laden eine spezielle App herunter und starten den Identifikationsprozess. Die App führt einen mehrstufigen Sicherheitscheck durch:

  • Prüfung des Personalausweises mithilfe der Kamera und der integrierten NFC-Funktion.
  • Video-Selfie mit einem sogenannten Liveness-Check, bei dem zwei zufällige Wörter nachgesprochen werden müssen.
  • KI-gestützte Überprüfung der Echtheit der Dokumente und des Gesichtsabgleichs.

Nach erfolgreicher Prüfung wird eine neue PIN per Post zugestellt. Diese ermöglicht den Zugang zur GesundheitsID, die wiederum den Zugriff auf die ePA freischaltet.

„Wir wollten ein Verfahren schaffen, das den Spagat zwischen Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit meistert. KI-gestützte Checks und NFC-Ausweisprüfung sorgen für ein hohes Sicherheitsniveau“, erklärt ein Vertreter der Nect GmbH.

Der größte Vorteil liegt in der Zeitersparnis: Kein Gang zur Krankenkasse, keine Wartezeiten – die gesamte Identifikation erfolgt digital. Dies ist besonders für mobil eingeschränkte Menschen oder Versicherte ohne ursprüngliche PIN eine erhebliche Erleichterung.

Kritische Perspektiven & Sicherheitsbewertung

So fortschrittlich das Verfahren erscheint, gibt es dennoch kritische Stimmen. Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass das Video-Ident trotz neuer Technologien nicht mit der Sicherheit einer klassischen Zwei-Faktor-Authentifizierung gleichzusetzen ist. Manche sprechen von einer „1,5-Faktor-Authentifizierung“: sicherer als ein einzelner Faktor, aber nicht vollständig auf dem Niveau bewährter Multi-Faktor-Systeme.

„Das größte Risiko liegt in der zunehmenden Leistungsfähigkeit von Deepfake-Technologien. KI-Systeme können täuschend echte Videos erzeugen – damit steigt auch das Missbrauchspotenzial“, warnt ein IT-Sicherheitsexperte.

Hinzu kommt, dass Video-Ident im Gesundheitswesen bereits eine Vorgeschichte hat. 2022 wurde es von der Gematik aus Sicherheitsgründen untersagt, nachdem Schwachstellen bekannt wurden. Erst jetzt – mit zusätzlicher NFC-Prüfung und KI-basierten Liveness-Checks – erfolgt die erneute Zulassung. Trotzdem bleibt die Frage, ob Cyberkriminelle die neuen Barrieren überwinden können.

Frühere Vorfälle, wie die vom Chaos Computer Club aufgedeckte Sicherheitslücke bei elektronischen Ersatzbescheinigungen, zeigen, wie sensibel das System ist. Die Gematik reagierte damals schnell, indem sie das Verfahren vorübergehend stoppte. Solche Erfahrungen schärfen den Blick für Risiken, die auch beim Video-Ident nicht völlig ausgeschlossen sind.

Nutzerperspektive & Akzeptanz

Die Einführung des Video-Ident könnte die bislang schleppende Nutzung der ePA ankurbeln. Bislang lag die aktive Nutzung trotz Millionen angelegter Akten im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Viele Versicherte scheiterten an komplizierten Anmeldeprozessen, fehlenden PINs oder schlicht an der Hemmschwelle, persönliche Daten in einer App zu speichern.

Mit der neuen Methode entfällt der Weg über die Krankenkasse, was den Einstieg deutlich erleichtert. Dennoch hängt der Erfolg davon ab, wie schnell Krankenkassen das Verfahren anbieten und wie gut die Kommunikation in Richtung Versicherte erfolgt. Einige Kassen wie die Techniker Krankenkasse haben bereits angekündigt, Video-Ident als Option bereitzustellen. Sie betonen jedoch, dass im Gesundheitsbereich strengere Anforderungen an die Sicherheit gelten als in der Finanzbranche.

„Komfort ist wichtig, aber im Gesundheitswesen steht die Sicherheit an erster Stelle. Wir werden den Einsatz von Video-Ident genau prüfen und schrittweise einführen“, heißt es aus der Kassenlandschaft.

ePA in die breite Anwendung?

Das Video-Ident-Verfahren könnte ein entscheidender Hebel sein, um die ePA in die breite Anwendung zu bringen. Es senkt Zugangsbarrieren und ermöglicht eine digitale Anmeldung, die sich nahtlos in den Alltag integrieren lässt. Für Menschen ohne PIN oder mit Mobilitätseinschränkungen ist das ein echter Fortschritt.

Gleichzeitig bleibt Sicherheit die größte Herausforderung. KI-gestützte Manipulationen sind keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Deshalb müssen Systeme kontinuierlich überprüft und weiterentwickelt werden, um Missbrauch zu verhindern.

Sollte die Implementierung gelingen, könnte die ePA in den kommenden Jahren von einem Nischenthema zu einem zentralen Bestandteil der digitalen Gesundheitsversorgung werden. Die flächendeckende Nutzung ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Akzeptanz – und hier ist Vertrauen der entscheidende Faktor.

„Digitale Gesundheit kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Menschen Vertrauen in die Systeme haben. Video-Ident ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er muss von Transparenz und klaren Sicherheitsstandards begleitet werden“, fasst ein Branchenexperte zusammen.

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