Vorsorge

Revolution in der Krebsforschung: Neue Hoffnung durch mRNA

Krebs zählt nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr rund 240.000 Menschen an den Folgen dieser Erkrankung.

Doch die medizinische Forschung steht nicht still: In den letzten Jahren haben sich die Perspektiven auf neue, zielgerichtete und individualisierte Therapieformen deutlich verbessert. Besonders im Bereich der mRNA-Technologie, der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) und der personalisierten Immuntherapie zeichnen sich bahnbrechende Fortschritte ab.

mRNA-Impfstoffe gegen Krebs

Ein neuer Impfstoff mit doppelter Wirkung

Ein vielversprechender Ansatz stammt von einem Forscherteam der University of Florida. Sie entwickelten einen mRNA-Impfstoff, der nicht nur das Immunsystem gezielt gegen Tumorzellen schärft, sondern auch in Kombination mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren Tumoren angreifbar macht, die bislang als therapieresistent galten. Diese doppelten Effekte zeigen bereits in präklinischen Studien eindrucksvolle Ergebnisse. Der Leiter des Projekts, Elias Sayour, sprach von einem „wichtigen Schritt auf dem Weg zur Immunisierung gegen aggressive Krebsarten“. Die Kombination mit bereits zugelassenen Immuntherapeutika könnte vielen Patientinnen und Patienten neue Hoffnung geben.

mRNA‑4157/V940: Der personalisierte Hautkrebs-Impfstoff

Ein weiterer Meilenstein ist die Entwicklung des personalisierten mRNA-Impfstoffs mRNA‑4157/V940 durch Moderna und MSD. Dieser Impfstoff richtet sich gezielt gegen sogenannte Neoantigene – individuelle Mutationen in Tumorzellen, die vom Immunsystem erkannt werden können. In der klinischen Studie KEYNOTE-942 wurde der Impfstoff in Kombination mit dem Immuntherapeutikum Pembrolizumab an Patient:innen mit schwarzem Hautkrebs getestet. Das Ergebnis: Das Risiko für Rückfälle und Todesfälle sank um etwa 49 %, das Risiko für Metastasen sogar um 62 %.

Die europäische Arzneimittelbehörde EMA sowie die US-amerikanische FDA haben diesem Impfstoff den „Priority Medicine“-Status verliehen – eine beschleunigte Prüfungsoption für besonders vielversprechende Medikamente. Die Zulassung könnte damit schon 2025 erfolgen.

Biontech und Bauchspeicheldrüsenkrebs: Ein Hoffnungsschimmer

Biontech, das Mainzer Unternehmen, das durch seinen Corona-Impfstoff weltweit bekannt wurde, forscht ebenfalls intensiv im Bereich der mRNA-Therapien gegen Krebs. In einer Pilotstudie zur Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs – einer der tödlichsten Krebsarten überhaupt – erhielten acht Patient:innen eine personalisierte mRNA-Impfung kombiniert mit Chemotherapie. Bei sechs dieser acht Personen konnte drei Jahre nach der Behandlung keine Rückkehr der Krebserkrankung festgestellt werden. Diese Ergebnisse gelten als medizinische Sensation, da die Überlebensraten bei dieser Krebsform traditionell extrem niedrig sind.

Perspektiven für die nahe Zukunft

Moderna kündigte an, schon 2025 eine Marktzulassung für seinen Impfstoff gegen Hautkrebs anstreben zu wollen. Die Studienlage ist vielversprechend: In laufenden Studien mit über 1.000 Teilnehmenden sollen weitere Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit erhoben werden. Auch Biontech arbeitet intensiv daran, weitere mRNA-basierte Therapeutika zur Reife zu bringen.

„Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära in der Onkologie. Es ist realistisch, dass wir ab 2025 erste zugelassene mRNA-Impfstoffe gegen Krebs sehen werden.“ – Ugur Sahin, CEO von Biontech

Onkologische Entwicklungen bei Biontech

Partnerschaft mit Bristol Myers Squibb

Mitte 2025 schloss Biontech eine milliardenschwere Forschungskooperation mit dem US-Pharmakonzern Bristol Myers Squibb (BMS). Im Zentrum steht die gemeinsame Entwicklung von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten, kurz ADCs. Der erste Kandidat dieser Kooperation, BNT327, soll gegen mehr als zehn verschiedene Tumorarten einsetzbar sein. Biontech erhielt eine Vorauszahlung von 1,5 Milliarden US-Dollar – ein klares Zeichen für das Vertrauen in die Technologie.

Zulassungspläne und Pipeline

Biontech plant, bereits 2025 mit Phase-III-Studien für ein Krebsmedikament gegen triple-negativen Brustkrebs zu starten. Eine Zulassung für bestimmte Indikationen, darunter Gebärmutterkrebs, wird bis 2026 angestrebt. Parallel arbeitet das Unternehmen an über 20 onkologischen Wirkstoffen in verschiedenen klinischen Phasen. Die Übernahme des Tübinger Biotechunternehmens Curevac für rund 1,25 Milliarden US-Dollar soll zusätzlich Expertise und technologische Infrastruktur in den Bereich der Krebsforschung einbringen.

Forschungsschwerpunkte

Die Bandbreite der Forschungsansätze bei Biontech ist beeindruckend. Neben mRNA-Impfstoffen konzentriert sich das Unternehmen auf:

  • CAR- und TCR-Zelltherapien, die genetisch veränderte Immunzellen nutzen, um Tumoren gezielt zu zerstören
  • Neoantigen-basierte T-Zelltherapien, die auf die individuelle Mutationssignatur eines Tumors zugeschnitten sind
  • Bispezifische Antikörper, die gleichzeitig Tumorzellen und Immunzellen binden
  • Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs), die eine zielgerichtete Chemotherapie auf Zellebene ermöglichen
  • Immunmodulatoren, die das Tumorumfeld beeinflussen und das Immunsystem aktivieren

Weitere Innovationsbereiche

Zelltherapien und Liquid Biopsien

Auch außerhalb der mRNA-Technologie gibt es bedeutende Fortschritte. An Einrichtungen wie dem Bayerischen Zentrum für Krebsforschung wird an innovativen Zelltherapien gearbeitet. Dazu gehören unter anderem CAR-T-Zellen, die aus den körpereigenen Immunzellen der Patienten gewonnen und genetisch modifiziert werden. Weitere Schwerpunkte sind Liquid Biopsien – Bluttests, die Tumor-DNA im Blutkreislauf nachweisen können – sowie KI-gestützte Diagnosesysteme.

Diese Technologien erlauben eine immer frühere und präzisere Erkennung von Krebs, was die Prognose der Patient:innen erheblich verbessern kann.

Impfstoffe gegen spezifische Tumoren

Neben mRNA-Impfstoffen sind auch andere Impfstrategien in der Entwicklung. Ein Beispiel ist Tecemotid, ein Impfstoffkandidat gegen MUC1-exprimierende Tumoren. Auch bei bestimmten Hirntumoren kommen experimentelle Vektorimpfstoffe zum Einsatz. Diese alternativen Ansätze könnten in Zukunft in Kombination mit mRNA-Therapien eingesetzt werden und so die therapeutische Wirksamkeit steigern.

Herausforderungen und Ausblick

Trotz aller Euphorie dürfen die Herausforderungen nicht unterschätzt werden. Viele der neuen Therapien befinden sich noch in frühen oder mittleren Phasen der klinischen Prüfung. Die klinische Validierung, also der Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit in großen Patientengruppen, ist ein langwieriger und kostenintensiver Prozess.

Hinzu kommt die Frage der Zugänglichkeit. Die Entwicklungskosten für ein neuartiges Krebsmedikament können leicht mehrere Milliarden Euro betragen. Allein Biontech plant für 2025 Ausgaben in Höhe von bis zu 2,8 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung. Die Hoffnung ist, dass durch Skalierung, Automatisierung und Wettbewerb mittelfristig auch die Kosten für Patient:innen und Gesundheitssysteme sinken.

Dennoch zeichnet sich bereits heute ein Paradigmenwechsel ab: Statt auf allgemeine Chemotherapie mit schweren Nebenwirkungen zu setzen, rücken personalisierte, präzise und immunbasierte Therapien in den Vordergrund. Viele Expert:innen sprechen bereits von einem „Zeitalter der immunologischen Krebsmedizin“.

„Krebs wird zunehmend zu einer chronischen Erkrankung. In einigen Fällen ist sogar Heilung möglich – das war vor zehn Jahren noch undenkbar.“ – Prof. Dr. Özlem Türeci, medizinische Leiterin bei Biontech

mRNA-Impfstoffe, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und Zelltherapien

Die Krebsforschung hat in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte gemacht. Besonders personalisierte mRNA-Impfstoffe, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und Zelltherapien eröffnen neue therapeutische Optionen, die das Leben vieler Betroffener verbessern können. Unternehmen wie Biontech und Moderna stehen dabei an der Spitze einer Entwicklung, die das Bild von Krebs nachhaltig verändern könnte.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich die Hoffnung auf dauerhafte Erfolge bestätigt. Klar ist: Der medizinische Fortschritt in der Onkologie ist real – und er schreitet mit großer Geschwindigkeit voran.

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