Die Legalisierung von Cannabis ist eines der am meisten diskutierten Themen der aktuellen deutschen Politik. Mit dem neuen Cannabisgesetz, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist, verfolgt Deutschland einen neuen Ansatz in der Drogenpolitik. Der folgende Artikel analysiert die zentralen Inhalte des Gesetzes, diskutiert Chancen und Herausforderungen und klärt über Fehlinformationen auf, die im politischen Diskurs verbreitet wurden.
Hintergrund und Inhalte des Cannabisgesetzes
Cannabis war in Deutschland lange Zeit als illegale Droge eingestuft. Mit der Einführung des Cannabisgesetzes (auch bekannt als Konsumcannabisgesetz – KCanG) ändert sich diese Situation grundlegend. Das Gesetz erlaubt Erwachsenen ab 18 Jahren:
- den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigengebrauch,
- den privaten Anbau von bis zu drei Pflanzen und
- die Mitgliedschaft in sogenannten Cannabis Social Clubs (CSC, auch Cannabis Clubs genannt), wo der Anbau gemeinschaftlich organisiert wird.
Darüber hinaus sind strenge Vorschriften zum Jugendschutz und Qualitätskontrollen Teil der gesetzlichen Regelungen. Verkaufsstellen, die reguliert werden sollen, dürfen Cannabis nur an Erwachsene abgeben und müssen sicherstellen, dass die Produkte frei von schädlichen Zusätzen sind. Hierzu fehlt abseits der Apotheken (medizinisches Cannabis) noch Säule 2 des CanG für den Konsumbereich.
„Dass Straßencannabis oftmals verunreinigt sein und deshalb mit gesundheitlichen Risiken einhergehen kann, ist bekannt. Doch dass diese Verunreinigungen so massiv ausfallen, hat uns wirklich schockiert. Die bisherigen legalisierten Wege decken den Bedarf der Verbraucher bei weitem nicht ab. Das untermauert erneut die Dringlichkeit von Modellregionen zum wissenschaftlich begleiteten Verkauf von Cannabis über lizenzierte Fachgeschäfte.“
Finn Hänsel, Geschäftsführer des Berliner Cannabis-Unternehmens Sanity Group, zum Ergebnis einer aktuelle Studie, bei der 300 Proben von Straßencannabis aus 30 deutschen Großstädten sowie zehn weiteren europäischen Großstädten untersucht wurden. Rund 65 Prozent der Proben enthielten Spuren von menschlichen Fäkalien, Bakterien oder Viren, mehr als 70 Prozent wurden mit Haarspray „gestreckt“. In mehr als zwei Drittel aller Proben wurden toxische Pestizide gefunden, nur 20 Prozent aller 300 Proben waren sauber.
Ziele und Chancen des Gesetzes
Die Legalisierung verfolgt mehrere zentrale Ziele:
- Eindämmung des Schwarzmarkts: Der kontrollierte Verkauf von Cannabis soll kriminellen Organisationen den Markt entziehen.
- Entlastung von Justiz und Polizei: Jährlich werden Tausende Verfahren wegen kleiner Mengen Cannabis geführt, die durch das Gesetz obsolet werden.
- Förderung von Prävention und Gesundheitsschutz: Die Legalisierung schafft die Möglichkeit, Aufklärungskampagnen durchzuführen und sicherzustellen, dass Konsumenten Zugang zu geprüften und sicheren Produkten haben.
Chancen ergeben sich auch für die Wirtschaft. Der legale Cannabismarkt wird neue Arbeitsplätze schaffen und Steuereinnahmen generieren, die in Prävention und Gesundheit investiert werden können.
„Insgesamt könnte der deutsche Staat durch eine Cannabislegalisierung rund 4,7 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Dieser Wert ergibt sich größtenteils durch zusätzliche Steuereinnahmen aus einer Konsumsteuer, aus Umsatz-, Gewerbe-, Körperschafts- sowie Lohnsteuern in Höhe von rund 3,34 Milliarden Euro.“
Quelle: Statista. Dazu Studie des Wettbewerbsökonoms Prof. Dr. Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU).
Herausforderungen bei der Umsetzung
Trotz der Chancen gibt es praktische Herausforderungen:
- Kapazitäten der Behörden: Die Rücknahme alter Strafverfahren und die Vergabe von Lizenzen stellen hohe Anforderungen an die zuständigen Behörden. Allerdings haben aktuell bereits mehrere Behörden die Überprüfung alter Verfahren abgeschlossen.
- Prävention: Es bleibt eine Herausforderung, Minderjährige effektiv zu schützen und den Einstieg in den Konsum zu verhindern.
- Gesellschaftliche Akzeptanz: Vorbehalte in der Bevölkerung und konservativen Kreisen könnten die Akzeptanz erschweren.
Fehlinformationen und Richtigstellungen
Die Diskussion um das Cannabisgesetz ist von Fehlinformationen geprägt, insbesondere von politischen Gegnern wie der CDU/CSU. Diese Argumente wurden mehrfach widerlegt:
Jugendgefährdung
Behauptung: Die Legalisierung führt zu einem Anstieg des Konsums bei Jugendlichen.
Fakt: Studien aus Kanada und den Niederlanden zeigen, dass kontrollierter Zugang den Konsum unter Minderjährigen senken kann. Verkaufsstellen mit Alterskontrollen und klare Jugendschutzmaßnahmen sind effektiver als die Kriminalisierung
Steigende Abhängigkeit
Behauptung: Durch die Legalisierung wird Cannabis zum Einstieg in härtere Drogen.
Fakt: Die „Einstiegsdroge“-These ist wissenschaftlich widerlegt. Das Gesetz schafft einen sicheren Rahmen, der das Risiko senkt, dass Konsumenten mit gefährlichen Substanzen in Kontakt kommen
Organisierte Kriminalität
Behauptung: Kriminelle Netzwerke werden vom neuen Gesetz profitieren.
Fakt: Der Schwarzmarkt wird durch legale Alternativen geschwächt. Eine Studie aus Colorado zeigt, dass der Anteil illegaler Verkäufe nach der Legalisierung deutlich gesunken ist.
„Unsere knapp 500 Mitglieder erzeugen einen Straßenverkaufswert von 1,5 Millionen Euro jährlich, der nicht mehr bei der Mafia landet. Das Geld wird stattdessen versteuert und unterliegt strengen Kontrollen. Wenn deutschlandweit 2.000 bis 3.000 Vereine etabliert sind, reden wir von Milliarden, die dem organisierten Verbrechen entzogen werden.“
Hermann Glotz, Vereins-Vorsitzender des Social Cannabis Clubs Erfurt, 23.11.2024
Internationale Perspektive
Deutschland ist nicht das erste Land, das Cannabis entkriminalisiert. Länder wie Kanada, Uruguay und einige US-Bundesstaaten haben bereits Erfahrungen gesammelt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass eine gut regulierte Legalisierung den Konsum stabil halten oder sogar senken und gleichzeitig Schwarzmarktrisiken mindern kann. Deutschland kann von diesen Beispielen lernen und Fallstricke vermeiden.
Fazit
Das Cannabisgesetz markiert einen Meilenstein in der deutschen Drogenpolitik. Es bietet die Chance, gesundheitliche Risiken besser zu kontrollieren, den Schwarzmarkt zu schwächen und die Justiz zu entlasten. Gleichzeitig erfordert die Umsetzung eine sorgfältige Planung, um Herausforderungen wie den Jugendschutz und praktische Kapazitäten zu meistern. Eine faktenbasierte Diskussion und Aufklärung bleiben dabei essenziell, um Fehlinformationen zu entkräften und die gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern.
„Alle staatlichen Versuche, Drogen zu verbieten und den Konsum zu regulieren, sind gescheitert. Menschen nehmen schon seit jeher Rauschmittel und sie werden das auch weiterhin tun, egal ob legal oder illegal. Für mich ist die entscheidende Erkenntnis aus der Geschichte der Prohibition: Bei Drogenverboten ging es nie um Gesundheitsfürsorge.“
DPD Dr. Robert Feustel, Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena